Ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten im Südlichen Ozean

Der Schutz eines der letzten großen Wildnisgebiete der Erde

Ein Netzwerk von Meeresschutzgebieten im Südlichen Ozean

© Philippe Bourseiller / Getty Images

Überblick

Der Südliche Ozean rund um die Antarktis ist eines der unberührtesten Meeresökosysteme der Erde. Er macht 15 Prozent der Weltmeere aus und beherbergt Tausende von Arten, die nirgendwo sonst zu finden sind: vom glitzernden Seestern über bioluminiszierende Würmer bis hin zu pastellfarbenen Kraken. Er ist auch die Heimat von Millionen von Pinguinen, die auf große Krillschwärme, winzige, garnelenähnliche Krebstiere, und andere Futterarten, welche die Basis eines empfindlichen Nahrungsnetzes bilden, angewiesen sind. Wissenschaftler glauben, dass sich dieses Ökosystem aufgrund der Auswirkungen des Klimawandels und aufgrund von Temperaturen, die eine schnellere Erwärmung als kaum irgendwo anders auf der Welt herbeiführen, verändert.

Diese Gewässer spielen auch für die Gesundheit des Planeten eine essenzielle Rolle, da sie starke Auftriebsströmungen erzeugen, die wichtige Nährstoffe in die Meere der ganzen Welt transportieren.

Zum Erhalt dieser spektakulären Region arbeiten The Pew Charitable Trusts und seine Partner mit der Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis (Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources - CCAMLR) sowie deren Mitgliedsregierungen an der Erstellung eines Netzwerks aus großflächigen Meeresschutzgebieten (MPAs, marine protected areas) rund um die Antarktis.

CCAMLRs Verpflichtung zur Schaffung eines Netzwerks von MPAs

CCAMLR ist eine internationale Organisation, die sich aus 24 Ländern und der Europäischen Union zusammensetzt, und die im Jahr 1982 mit dem Hauptmandat des Schutzes der Artenvielfalt des Südlichen Ozeans gegründet wurde. Obgleich die Erhaltung im Vordergrund steht, lässt CCAMLR in Übereinstimmung mit ihrem ökosystemorientierten Managementansatz in einigen Gebieten eingeschränkten Fischfang zu. Die Hauptfangaktivitäten in diesen Gewässern betreffen Seehecht und antarktischen Krill.

  • Im Jahr 2002 verpflichtete sich CCAMLR als erste internationale Organisation zur Schaffung eines Netzwerks von Meeresschutzgebieten gemäß den Empfehlungen des Weltgipfels der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung.
  • Diese Verpflichtung der CCAMLR beruht auf der Aufgabe, das Leben im Südlichen Ozean zu schützen statt es auszubeuten und auf dem Vorsorgeprinzip, das im Zweifelsfall für Maßnahmen plädiert, wenn die beste verfügbare Wissenschaft nur begrenzte oder ungenügende Ergebnisse liefert.
  • Im Jahr 2011 vereinbarten die CCAMLR-Mitglieder einstimmig die Annahme der Schutzmaßnahme 91-04,1 eines Rahmenwerks für die Erstellung eines MPA-Netzwerks, und identifizierten neun Planungsgebiete2 für die Entwicklung dieser Schutzgebiete.

Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel

Einige der deutlichsten Auswirkungen des Klimawandels auf die Erde, wie die Erwärmung und die Versauerung der Meere3 sowie Änderungen der Konzentration und Dauer des Meereises4 sind in der Antarktis zu beobachten. Studien zeigen, dass MPAs helfen können, die Widerstandsfähigkeit eines Ökosystems gegenüber diesen Veränderungen zu verbessern, indem sie Stressfaktoren, wie die Fischerei, minimieren.5

  • Die vergleichsweise unberührten Gewässer des Südlichen Ozeans bieten ein natürliches Labor zur Untersuchung der Reaktion von intakten Meeresökosystemen auf einen sich erwärmenden und versauernden Ozean.
  • Zudem können MPAs erheblich zum Schutz wichtiger Kohlenstoffspeicher, auch bekannt als biologische Speicher und Senken, beitragen. Über 55 Prozent des weltweit gespeicherten biologischen Kohlenstoffs wird von lebenden Meeresorganismen gebunden.6

Mehr als die Summe ihrer Teile

Ein MPA-Netz würde nicht nur die Verbindung zwischen den vielen einzelnen Ökosystemen des Südlichen Ozeans aufrecht erhalten, indem es den Meereslebewesen das Wandern zur Fortpflanzung und zur Futtersuche zwischen den geschützten Gebieten ermöglicht, sondern es würde auch entscheidend zu den globalen Schutzzielen beitragen.

  • Im Jahr 2016 kam ein in der Zeitschrift Conservation Letters veröffentlichter Bericht zu dem Ergebnis, dass mindestens 30 Prozent des globalen Meeres in MPAs aufgenommen werden müssten, um wirksame Ergebnisse für die Erhaltung zu erzielen und dem Management und Wiederaufbau von erschöpften Fischbeständen zu helfen.7
  • Laut einer in der Zeitschrift Nature im Jahr 2014 veröffentlichten Studie muss ein MPA, um wirksam zu sein, groß, abgelegen, gut umsetzbar und dauerhaft sein und zudem jegliche Entnahme von Fischen oder anderen Ressourcen verbieten.8
  • MPAs, die den oben genannten Kriterien entsprechen, erzeugen eine Wechselwirkung, durch die die Gesundheit des Meereslebens in Gewässern außerhalb der geschützten Regionen verbessert wird.9

Fakten: Die 9 Planungsgebiete

© Chad Naughton (NSF photo)

Gebiet 1: Westliche Antarktische Halbinsel und südlicher Scotia Arc

Über 1,5 Millionen Adélie-, Esels- und Zügelpinguinpaare sind auf der Antarktischen Halbinsel zu Hause.10

© Doug Allan

Gebiet 2: Nördlicher Scotia Arc, einschließlich Südgeorgien und Sandwich-Inseln

Diese Gewässer stellen einen Zufluchtsort für Meereswunder dar, beherbergen Populationen von Albatrossen, Pinguine, den Schwarzen Seehecht, Kalmare, Laternenfische und sogar Kraken, Haie und neun Fischarten, die nirgendwo sonst zu finden sind.11

© John B. Weller

Gebiet 3: Weddell-Meer

In dieser Region sind gleichermaßen Seevögel und Säugetiere zu finden, darunter Zwerg-, Buckel- und Finnwale12 ebenso wie Weddellund Krabbenfresserrobben und See-Elefanten.13


© Steve Rupp/National Science Foundation

Gebiet 4: Bouvet und die Maud-Kuppe

Die Bouvet-Insel ist die entlegenste Insel der Welt14 und größtenteils bedeckt von Gletschern mit einem reichen Meeresboden, einschließlich Schwämmen, Weichtieren, Krustentieren und Würmern.15


© Liam Quinn

Gebiet 5: Crozet-Inseln und Del Cano Rise

Wirbel zwischen den zwei Fronten des Antarktischen Zirkumpolarstroms begünstigen die Phytoplanktonblüte,16 die Fische und Kalmare anzieht, welche ihrerseits den einheimischen Seevögel- und Säugetierpopulationen als Futter dienen, wie den global bedeutsamen Brutbeständen von Pinguinen, nördlichen und südlichen Riesensturmvögeln, Weißkinnsturmvögeln, Wander-, Ruß- und Graumantelalbatrossen.17

© John Weller

Gebiet 6: Kerguelen-Plateau

Das zwischen der Antarktischen Konvergenz und dem Antarktischen Zirkumpolarstrom gelegene Produktionsgebiet der Kerguelen ist ein Gebiet offenen Gewässers höchster Produktivität mit einem rauen Tiefsee-Lebensraum, der durch das Gebiet ziehenden Walen und Seevögeln sowie riesigen Populationen von an Land lebenden Räubern einschließlich brütenden Königspinguinen,18 Antarktischen Seebären und See-Elefanten19 Nahrung liefert.

© Jessica Meir

Gebiet 7: Ostantarktis

Seehechte, die mächtigsten Raubfische der Ostantarktis, produzieren ihre eigenen Frostschutzproteine, um ihr Blut vor dem Kristallisieren zu bewahren20 und können ein Länge von bis zu fast 2 Metern erreichen. Unlängst haben Wissenschaftler herausgefunden, dass fast doppelt so viele Adéliepinguine in der Ostantarktis leben als bislang angenommen.21

© John B. Weller

Gebiet 8: Rossmeer

Diese Region trägt zu einer bemerkenswerten Artenvielfalt bei. Darunter finden sich mehr als 150 Seestern- und Seeigelarten, von denen 40 Arten nirgendwo sonst auf der Erde vorhanden sind,22 Zwergwale, Weddellrobben und Seeleoparden, Adélie- und Kaiserpinguine sowie eine spezifische Population Großer Schwertwale, oder Killerwale die als Ökotyp-C bezeichnet werden und die sich von Antarktischem Seehecht ernähren.23

© Rodolfo Werner

Gebiet 9: Amundsensee und Bellingshausensee

Diese Gewässer haben eine beträchtliche Meereseisdecke, die weite Gebiete für Forscher unzugänglich und für Fischer begrenzt zugänglich macht. Eine kürzlich veröffentlichte Erhebung zu den Lebensgemeinschaften auf dem Meeresboden kam zu dem Ergebnis, dass 96 Prozent der in dieser Region gefundenen Asseln, einer Art Krustentiere, der Wissenschaft bislang unbekannte Arten waren.24

Ausblick

Die erfolgreiche Umsetzung eines MPA-Netzwerks im Südlichen Ozean wäre ein gutes Beispiel für globale Zusammenarbeit angesichts zunehmender Umweltprobleme.

Im Jahr 2016 wurde auf dem jährlichen CCAMLR-Treffen mit der einstimmig erfolgten Einrichtung des weltweit größten Meeresschutzgebiets, das im Rossmeer zu finden ist, ein Beispiel einer solchen Zusammenarbeit gegeben. Das 2,06 Millionen Quadratmeter (fast 800.000 Quadratmeilen)25 große Gebiet beinhaltet 1,55 Millionen Quadratkilometer offenen Gewässers und erstreckt sich bis zur Küstenlinie unter dem Ross-Schelfeis. Das MPA, das mehr als dreimal so groß wie Frankreich ist, tritt im Dezember 2017 in Kraft.

Mit der Festlegung des Meeresschutzgebiets in der Rossmeer-Region hat CCAMLR den ersten notwendigen Schritt zur Schaffung eines Netzwerks von großflächigen MPAs getan. Die nächsten Schritte zum Erreichen dieses Ziels müssen die Benennung der vorgeschlagenen Weddell-Meer- und Ostantarktis-MPAs sowie das Voranbringen des Vorschlags für ein MPA vor dem westlichen Teil der Antarktischen Halbinsel beinhalten.

Quellen

  1. Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, “Conservation Measure 91-04: General Framework for the Establishment of CCAMLR Marine Protected Areas” (2011), https://www.ccamlr.org/en/measure-91-04-2011.
  2. Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, “Marine Protected Areas (MPAs),” abgerufen am 14. März 2017, https://www.ccamlr.org/en/science/marine-protected-areas-mpas.
  3. Elizabeth M. Jones et al., “Ocean Acidification and Calcium Carbonate Saturation States in the Coastal Zone of the West Antarctic Peninsula,” Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography (2017), doi:10.1016/j.dsr2.2017.01.007..
  4. Sharon E. Stammerjohn et al., “Trends in Antarctic Annual Sea Ice Retreat and Advance and Their Relation to El Nino–Southern Oscillation and Southern Annular Mode Variability,” Journal of Geophysical Research 113, no. C3 (2008): C03S90, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1029/2007JC0 04269/abstract.
  5. International Council for the Exploration of the Sea, “Report of the Study Group on Designing Marine Protected Area Networks in a Changing Climate (SGMPAN)” (2010), https://www.researchgate.net/publication/263888915_Report_of_the_Study_Group_on_Designing_Marine_Protected_Area_Networks_i n_a_Changing_Climate_SGMPAN.
  6. National Oceanic and Atmospheric Administration, “Marine Protected Areas: Building Resilience to Climate Change Impacts,” abgerufen am 14. März 2017, http://marineprotectedareas.noaa.gov/pdf/helpful- resources/mpas_climate_change_march_2013.pdf.
  7. Bethan C. O‘Leary et al., “Effective Coverage Targets for Ocean Protection,” letter, Conservation Letters 9, no. 6 (2016): 398–404, http://dx.doi.org/10.1111/conl.12247.
  8. Graham J. Edgar et al., “Global Conservation Outcomes Depend on Marine Protected Areas With Five Key Features,” letter, Nature 506 (2014): 216–220, http://dx.doi.org/10.1038/nature13022.
  9. Callum M. Roberts, Julie P. Hawkins, and Fiona R. Gell, “The Role of Marine Reserves in Achieving Sustainable Fisheries,” Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences 360, no. 1453 (2005): 123–32, http://dx.doi.org/10.1098/rstb.2004.1578.
  10. Hugh W. Ducklow et al., “Marine Pelagic Ecosystems: The West Antarctic Peninsula,” Philosophical Transactions of the Royal Society 362, no. 1477 (2007): 67–94, http://dx.doi.org/10.1098/rstb.2006.1955.
  11. Government of South Georgia and the South Sandwich Islands, “South Georgia and the South Sandwich Islands Marine Protected Area Management Plan” (2013), http://www.gov.gs/docsarchive/Environment/Marine%20Protected%20Area/MPA %20Management%20Plan%20v2.0.pdf.
  12. Campbell R. Davies and Nick Gales, “A Brief Review of Sanctuary Theory as It Applies to the Review of the Southern Ocean Sanctuary and the Observed Patterns in Great Whale Populations in the Southern Ocean,” SC/56/SOS2, International Whaling Commission Scientific Committee (2004).
  13. Cheryl A. Tosh et al., “Adult Male Southern Elephant Seals From King George Island Utilize the Weddell Sea,” Antarctic Science 21, no. 2 (2009): 113–21, https://www.cambridge.org/core/services/aop-cambridge- core/content/view/S0954102008001557.
  14. Lee Siebert, Tom Simkin, and Paul Kimberly, Volcanoes of the World, 3rd. ed. (Oakland, California: University of California Press, 2010), http://www.jstor.org/stable/10.1525/j.ctt1pnqdx.
  15. Angelika Brandt et al., “Maud Rise: A Snapshot Through the Water Column,” Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography 58, no. 19–20 (2011): 1962–82, http://www.sciencedirect.com/science/article/pii /S0967064511000609.
  16. Hugh J. Venables, Raymond T. Pollard, and Ekaterina E. Popova, “Physical Conditions Controlling the Development of a Regular Phytoplankton Bloom North of the Crozet Plateau, Southern Ocean,” Deep Sea Research Part II: Topical Studies in Oceanography 54, no. 18–20 (2007): 1949–65, http://www.sciencedirect.com/science/article/pii /S0967064507001518.
  17. Amanda T. Lombard et al., “Conserving Pattern and Process in the Southern Ocean: Designing a Marine Protected Area for the Prince Edward Islands,” Antarctic Science 19, no. 1 (2007): 39–54, https://www.cambridge.org/core/services/aop-cambridge- core/content/view/S0954102007000077.
  18. Charles-André Bost et al., “Feeding of Diving Predators and Diel Vertical Migration of Prey: King Penguins‘ Diet Versus Trawl Sampling at Kerguelen Islands,” Marine Ecology Progress Series 227 (2002): 51–61, http://www.int-res.com/abstracts/meps/v227/p51- 61.
  19. Mary-Anne Lea et al., “Colony-Based Foraging Segregation by Antarctic Fur Seals at the Kerguelen Archipelago,” Marine Ecology Progress Series 358 (2008): 273–87, http://www.academia.edu/26554658/Colony- based_foraging_segregation_by_Antarctic_fur_seals_at_the_Kerguelen_Archipelago.
  20. Last Ocean Charitable Trust, “Antarctic Toothfish (Dissostichus mawsoni),” abgerufen am 13. Februar 2017, http://www.lastocean.org/Commercial-Fishing/About-Toothfish/All-about-Antarctic-toothfish-__I.2445.
  21. Colin Southwell, et al., “Large-Scale Population Assessment Informs Conservation Management for Seabirds in Antarctica and the Southern Ocean: A Case Study of Adélie Penguins,” Global Ecology and Conservation 9 (2017): 104–15, http://dx.doi.org/10.1016/j.gecco.2016.12.004.
  22. Janet Bradford-Grieve and Graham Fenwick, “A Review of the Current Knowledge Describing the Biodiversity of the Ross Sea Region,” National Institute of Water and Atmospheric Research, prepared for the Ministry of Fisheries Research Project ZBD2000/01 (2001), http://fs.fish.govt.nz/Page.aspx?pk=113&dk=22489.
  23. Robert L. Pitman and Paul Ensor, “Three Forms of Killer Whales (Orcinus orca) in Antarctic Waters,” Journal of Cetacean Research and Management 5, no. 2 (2003): 1–9, http://www.heardisland. org/HD_documents/HE_Library/Marinebiology/PitmanandEnsor2003JCRM.pdf.
  24. Stefanie Kaiser et al., “Biodiversity of an Unknown Antarctic Sea: Assessing Isopod Richness and Abundance in the First Benthic Survey of the Amundsen Continental Shelf,” Marine Biodiversity 39 (2009): 27–43, https://link.springer.com/article/10.1007/s12526-009- 0004-9.
  25. Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, “CCAMLR to Create World‘s Largest Marine Protected Area,” news release, 28 October 2016, https://www.ccamlr.org/node/92518.