EU-Minister lassen Überfischung der Tiefseebestände weiterhin zu

Diese Entscheidung deckt sich nicht mit der neuen gemeinsamen Fischereipolitik

Der Fischereirat der Europäischen Union stimmte am 10. November für Fanggrenzen für Tiefseebestände in den kommenden zwei Jahren, die wissenschaftliche Empfehlungen übersteigen. Bei der Festlegung der zulässigen Gesamtfangmenge (TAC) für europäische Fangflotten hielten sich die 28 für Fischerei zuständigen Minister nicht an die erst kürzlich reformierte gemeinsame Fischereipolitik (GFP). Die reformierte GFP verlangt die Überfischung in der EU, sofern dies möglich ist bis 2015, jedoch spätestens bis 2020 zu beenden.

"Die für Fischerei verantwortlichen Minister missachteten bei ihrer Entscheidung, die Überfischung gefährdeter Tiefseebestände für 2015 und 2016 zuzulassen, eine wichtige Säule der neuen, gemeinsamen Fischereipolitik", sagte Uta Bellion, Direktor des Meeresprogramms von The Pew Charitable Trusts. "Die gemeinsame Fischereipolitik lässt Ausnahmen, die Überfischung bis 2015 zu beenden, nur dort zu, wo solche Schritte die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit der betroffenen Fischereiflotten ernsthaft gefährden würde. Es wurden heute jedoch keine solchen Nachweise vorgelegt."

Die Europäische Kommission gab Empfehlungen für Fanggrenzen für die meisten Tiefseebestände innerhalb wissenschaftlicher Ratschläge. Wo dies nicht geschah, hatten die Minister die Möglichkeit, die Fanggrenzen zu reduzieren. Stattdessen vereinbarten sie die Mehrheit der Bestände weiter zu überfischen.

Tiefseearten sind durch Überfischung besonders gefährdet, da sie im Allgemeinen länger leben, langsamer wachsen, später geschlechtsreif werden und weniger Nachwuchs produzieren als andere Fischarten. Außerdem sind die Tiefseebestände im nordöstlichen Atlantik bereits erheblich erschöpft.

"Die Entscheidung der Minister zeigt einmal mehr eine Missachtung für die Meeresumwelt und die Fischer, die von ihr abhängig sind. Wir fordern die Minister auf, bei ihrem nächsten Treffen im Dezember nachhaltige Fanggrenzen festzulegen", sagte Bellion.

Seit Januar erwägten die Fischereiminister einen Vorschlag der Europäischen Kommission für die Regelung der Gewässer des nordöstlichen Atlantik, der strenge Fanggrenzen für Tiefseearten, die Bewertung der Umweltauswirkungen und einen allmählichen Abbau der destruktivsten Fischereipraktiken verlangt, wie beispielsweise Tiefsee-Grundschleppnetzfischerei. Bis eine solche Regelung angenommen wird, garantiert alleine die Festlegung von TACs keine nachhaltige Tiefseefischerei.

Bei der Tiefsee handelt es sich um den Bereich des Meeres, der sich unter den Außengrenzen des Festlandsockels befinden. Dort herrschen niedrige Temperaturen und nur wenig bis gar kein Licht dringt in diese Gewässer. Dennoch werden Tiefsee-Ökosysteme als besonders Artenreich mit vielen Fischspezies anerkannt. Tiefseearten sind jedoch von übermäßiger Ausbeutung besonders gefährdet, weil sie in einer Umgebung leben, die selten gestört wird, und daher spät geschlechtsreif werden und sehr lange leben.